"Done is better than perfect"
Dieser Satz kann ein Ausweg aus der Perfektionsfalle sein. Doch trifft das immer zu? Als genesende Perfektionistin stimme ich für eine große Anzahl an Tätigkeiten, die wir tagtäglich zu erledigen haben, zu. Da gibt es vieles, was wir im Sinne des Pareto-Prinzips erledigen können. 20 % Energie bringen 80 % Ergebnis.
Reicht! Erledigt und weiter mit den wichtigen Dingen.
Doch leider hat sich in unserer Kultur eine stetig wachsende Erwartung von perfekter Leistung selbst im Kleinen aufgebaut.
Zum Beispiel bei der Chefin, die noch den allerletzten Kommafehler im schriftlichen Vorgang mit schnippischen Bemerkungen moniert. Was dann den Mitarbeiter dazu bringt, das Schriftstück ab sofort nicht nur einmal, sondern mindestens dreimal zu lesen und zu überarbeiten.
Da können trotzdem noch Fehler drinstecken, wie jeder Journalist und jede Autorin weiss. Korrekturlesen muss jemand, der den Text nicht geschrieben hat. Die Autorin überliest meistens die Fehler, nicht aus Blödheit, sondern weil unser Gehirn in ganz bestimmter Art arbeitet. Menschen, die hervorragend und langandauernd seitenweise Programmiercodes auf Fehler prüfen können, sind zum Beispiel Autisten. Deren Gehirn arbeitet tatsächlich mehr wie der unbestechliche Computer. Doch unser menschliches Gehirn hat da so seine Schwachpunkte, während es in anderen Bereichen glänzt.
Also kein guter Umgang mit Fehlern, geschweige denn Fehlerkompetenz.
Aber hat die Chefin nicht das Recht auf einen erstklassigen, fehlerfreien Brief, kein Recht auf ihren hohen Anspuch?
Auch hier gilt wieder ja oder nein.
Ist es ein staatstragendes Schriftstück, welches über Krieg oder Frieden entscheidet? Dann am besten einen Stab der besten Mitarbeiter dransetzen, die auch noch am letzten Buchstaben feilen. Oder ist es eher ein schriftlich festgehaltener Vorgang, der nur abgeheftet wird?
Da gilt dann wieder: "Done is better than perfect"!
Was wir also brauchen, ist eine gute Unterscheidungsfähigkeit und der Mut zu einer Entscheidung zu stehen.
Den Mut braucht der Mitarbeiter, um mit der Chefin - die vielleicht perfektionistisch veranlagt ist - zu klären, wie wichtig die absolute Fehlerfreiheit des Briefs tatsächlich ist. Um dann auch klar aufzuzeigen, was das akribische Überprüfen eines Schriftstücks an Zeit kostet. Zeit, die dann für andere - vielleicht wichtigere - Aufgaben fehlt.
Unterscheidungsvermögen und Mut braucht jedoch auch die Chefin. Perfektionismus - hier die Forderung nach absoluter Fehlerfreiheit der Mitarbeiterarbeit - erwächst häufig aus der Angst, einen Fehler zu machen und dafür getadelt zu werden. Perfektionismus ist ein - häufig nicht wirklich bewusstes - Überlebensprogramm, welches Versagensangst und das Gefühl der Beschämung verhindern soll. Dieses Muster verhindert jedoch Kreativität und Innovation und befördert den arbeitenden Menschen gleichsam zu einem Roboter, der fehlerfrei ohne Ausruhen funktionieren muss.
Diese Form des Perfektionismus zu überwinden hilft allen
Denn: Perfektionismus ist nicht gleichzusetzen mit dem Streben nach Qualität.
Sollten Sie jetzt glauben mein Beispiel wäre an den Haaren herbeigezogen und in der Berufswelt wäre doch schon eine viel größere Fehlerkompetenz angekommen...
Da höre ich ganz andere Geschichten. Wie steht es in Ihrem Umfeld?
Report