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Perfektionismus überwinden: Done is better than perfect


Aktualisiert:

23/07/2025

Erstellt:

22/03/2020

Lesedauer:

4 Min.

Den Satz „Done is better than perfect“ kennst du vermutlich. Die Einstellung „Erledigt ist besser als perfekt“ ist eine oft genannte Strategie, wenn es darum geht, Perfektionismus zu überwinden. Doch trifft das immer zu? Ist es genug, Dinge einfach „zu erledigen“? In diesem Beitrag findest du meine Gedanken dazu.

Perfektionismus überwinden mit „Done is better than perfect“ – geht das in unserer Gesellschaft überhaupt?

Als genesende Perfektionistin stimme ich für eine große Anzahl an Tätigkeiten, die wir tagtäglich zu erledigen haben, dem Satz „Done is better than perfect“ zu. Es gibt es vieles, was wir im Sinne des Pareto-Prinzips erledigen können, mit ausreichend gutem Ergebnis: 20 % Energie bringen 80 % Ergebnis, lautet die Formen. Die restlichen 80 % Energie, die wir in eine Aufgabe stecken, bringen nur mehr 20 % Ergebnis.

Demnach sparen also jede Menge Energie, wenn wir es mit den 80 % Energie-Aufwand gut sein lassen. Reicht! Die Aufgabe ist erledigt, und weiter geht es mit den wichtigen Dingen.

Doch die Frage ist, ob unsere Gesellschaft diese gelassene Einstellung überhaupt zulässt. Denn leider hat sich in unserer Kultur eine stetig wachsende Erwartung von perfekter Leistung aufgebaut, selbst wenn es um Kleinigkeiten geht.

Zum Beispiel bei der Chefin, die noch den allerletzten Kommafehler im schriftlichen Vorgang mit schnippischen Bemerkungen moniert – da ist nichts mit „Done is better than perfect“! Was in der Folge den Mitarbeiter dazu bringt, Schriftstücke ab sofort nicht nur einmal, sondern mindestens dreimal zu lesen und zu überarbeiten.

Wie jeder Journalist und jede Autorin weiß, können dann trotzdem noch Fehler drinstecken. Korrekturlesen muss jemand, der den Text nicht geschrieben hat. Die Autorin überliest meistens die eigenen Fehler. Nicht aus Blödheit, sondern weil unser Gehirn auf ganz bestimmte Art arbeitet.

Manche Autisten und neurodivergente Menschen besitzen die Fähigkeit, hervorragend und langandauernd seitenweise Programmiercodes auf Fehler prüfen zu können. Ihr Gehirn arbeitet tatsächlich eher wie der unbestechliche Computer.

Doch für die meisten von uns ist es schwierig, die eigenen Fehler in Texten zu erkennen. Unser menschliches Gehirn hat da seine Schwachpunkte, während es in anderen Bereichen glänzt.

Das bedeutet: Auch wenn sich der Mitarbeiter doppelt und dreifach anstrengt, um dem Wunsch der Chefin nach fehlerfreien Schriftstücken zu entsprechen, wird ihm das nur schwer gelingen. Noch dazu kostet es ihn ungemein viel Energie, diese Perfektion erreichen zu wollen.

Wann ist Perfektionismus nötig? Und wann nicht?

Aber hat die Chefin nicht das Recht auf ein erstklassiges, fehlerfreies Schriftstück?

Hier gilt: Es hängt davon ab.

Ist es ein staatstragendes Schriftstück, welches über Krieg oder Frieden entscheidet? Ja? In diesem Fall ist Perfektionismus angesagt. Die Chefin sollte am besten einen Stab der besten Mitarbeiter dransetzen, die auch noch am letzten Buchstaben feilen!

Oder ist es eher ein schriftlich festgehaltener Vorgang, der nur abgeheftet wird? Da gilt dann wieder: „Done is better than perfect“. Vereinzelte Komma- und Rechtschreibfehler spielen nicht wirklich eine Rolle. Das sollte auch der Chefin klar sein.

Perfektionismus überwinden: Mit Unterscheidungsfähigkeit und Mut zur Entscheidung!

Wie du im Beispiel aus dem vorigen Abschnitt siehst, brauchen wir 2 Dinge, um Perfektionismus überwinden zu können:

  • Eine gute Unterscheidungsfähigkeit, sodass wir Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können.
  • Den Mut, zu einer Entscheidung zu stehen.

In unserem Beispiel braucht der Mitarbeiter Unterscheidungsfähigkeit, um erkennen zu können, welches Schriftstück wichtig ist und welches nicht.

Ebenso benötigt er Mut, um mit der Chefin – die vielleicht perfektionistisch veranlagt ist – zu klären, wie (un)wichtig die absolute Fehlerfreiheit des Briefs tatsächlich ist. Und um ihr klar aufzuzeigen, wie viel Zeit ihn das akribische Überprüfen eines Schriftstücks kostet. Zeit, die dann für andere – vielleicht wichtigere – Aufgaben fehlt.

Auch die Chefin braucht Unterscheidungsfähigkeit und Mut. Sie muss bestimmen, welche Aufgaben wirklich wichtig sind und perfekt erledigt werden müssen, und welche nicht. Und sie muss den Mut haben, Unperfektes zuzulassen. Nicht einfach – vor allem, wenn man perfektionistisch veranlagt ist und alles perfekt machen möchte!

Was tatsächlich hinter Perfektionismus steckt: Die Ursache für perfektionistisches Denken

Perfektionismus, so wie in unserem Beispiel die Forderung nach absoluter Fehlerfreiheit der Mitarbeiterarbeit, erwächst häufig aus der Angst, einen Fehler zu machen und dafür getadelt zu werden. Perfektionismus ist ein (häufig nicht wirklich bewusstes) Überlebensprogramm, welches Versagensangst und das Gefühl der Beschämung verhindern soll.

Dieses Muster verhindert jedoch Kreativität und Innovation. Perfektionistisches Denken befördert den arbeitenden Menschen gleichsam zu einem Roboter, der fehlerfrei und ohne Ausruhen perfekt funktionieren muss.

Mehr dazu liest du in Schluss mit Perfektionismus und Versagensangst: Ursachen, Selbsttest, Tipps.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich ergänzen: Perfektionismus ist nicht gleichzusetzen mit dem Streben nach hoher Qualität. Aber es gibt eine Grenze, ab wann das gesunde Streben nach hoher Qualität zu einem ungesunden Perfektionismus wird.

Mein Fazit: Wenn es um den Umgang mit Fehlern geht, dürfen wir dazulernen

Solltest du glauben, mein Beispiel wäre an den Haaren herbeigezogen und in der Berufswelt wäre doch schon eine viel gelassener Umgang mit Fehlern angekommen, dann irrst du dich. Da höre ich ganz andere Geschichten!

Auch bei meiner Arbeit mit meinen Klientinnen und Klienten erlebe ich immer wieder, wie sehr viele von ihnen unter dem eigenen perfektionistischen Anspruch an sich selbst leiden. Auf Dauer belasten der hohe Anspruch und das Streben nach Perfektion Psyche und Körper.

Deshalb: Wenn’s nicht wirklich wichtig ist, dann sei bitte gelassener mit dir und den Ansprüchen an dich selbst. „Done is better than perfect“ ist oft „gut genug“.

Und glaub mir: Perfektionismus zu überwinden verbessert deine Lebensqualität ungemein. Als genesende Perfektionistin weiß ich das aus eigener Erfahrung!

Du möchtest deinen Perfektionismus überwinden und hättest gerne Unterstützung?

Hier sind meine Angebote zum Thema Perfektionismus:

Melde dich gerne bei mir. Ich freue mich auf deine Anfrage!

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