Selbstkritik: Wenn der innere Kritiker wieder die Peitsche schwingt
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„Wie blöd kann man sein“: Nicht Selbstkritik, sondern Gewalttätigkeit!
Ärgerst du dich manchmal über dich selbst, weil …
- … du zu laut, zu schüchtern, zu aufdringlich, ungelenk oder einfach peinlich warst?
- … du etwas nicht erledigt hast?
- … du es nicht schnell oder nicht gut genug hinbekommen hast, also versagt hast?
Das, liebe Leserin und lieber Leser, das ist kein Ärger!
Dieses Übermaß an Selbstkritik, dieses Wüten gegen dich selbst, ist schlichtweg: Gewalttätigkeit!
Selbst wenn wir niemals die Hand gegen einen anderen heben würden: Wir finden nichts dabei, dass wir uns voller Selbstkritik selbst fertig machen, in den Senkel stellen, abkanzeln. Wir glauben sogar, dass wir jemanden brauchen, der uns in den Hintern tritt, damit wir endlich in die Pötte kommen.
Viele Menschen kritisieren sich ständig selbst, putzen sich herunter und merken gar nicht, wie viel Gewalt sie sich damit antun.
Glaub mir, ich war Meisterin im Fach Selbstkritik und hatte eine nette kleine Auswahl an verbalen Peitschen, mit denen ich mich selbst geißelte, wenn …
- ich z. B. gegen irgendwelche Regeln verstieß;
- nicht der Norm entsprach;
- Erwartungen und Anforderungen verfehlte, die häufig gar nicht explizit gestellt worden waren;
- ideale Ergebnisse nicht erreichte.
Was das bringt? Gar nichts. Wir werden durch abwertende Selbstkritik nicht besser oder motivierter, sondern wir schaden uns!
Zu viel Selbstkritik? Der alles-oder-nichts-Maßstab ist nicht zu erreichen!
Der Grund für unsere ausgeprägte Selbstkritik ist in der Regel unser hoher Anspruch an uns selbst: Wir legen einen alles-oder-nichts-Maßstab an uns an, der unmöglich zu erreichen ist. Einen Perfektionismus-Anspruch. Den Wunsch, es allen recht zu machen.
Einen Maßstab, der zudem aufgeladen ist mit moralischen (häufig unausgesprochenen) Vorstellungen der Gruppe(n), zu der wir gehören.
In uns läuft ein innerer Dialog ab, der aber nicht nach Lösungen sucht. Stattdessen ist er eine Wiederholung von Aussagen von Eltern, Lehrern, Ausbildern und anderen Personen aus unsere Kindheit, die vom negativen Menschenbild des faulen – oder dummen, ungelenken, etc. – Kindes ausgingen.
Dieses Kind musste mit Ermahnung und viel Kritik gebessert werden. Da wurde zu oft kein Unterschied zwischen dem Kind („Du bist in Ordnung“) und dessen Verhalten („Das ist nicht in Ordnung“) gemacht.
Die meisten von uns haben das Urteil von damals angenommen: Wir sind fehlerhaft und nicht viel wert, haben wir gelernt.
Daraus ist eine permanente Selbstgeißelungs-Attacke geworden. Voller Selbstkritik blöken die Stimmen der Vergangenheit ihre abwertenden Kommentare hinaus. Immer noch.
Was übrigens echt verrückt ist: Viele Menschen sind der festen Überzeugung: „Ohne diese inneren Antreiber würde ich nichts gebacken bekommen?“
Aber ist das tatsächlich so? Wie motiviert reagierst du, wenn dir jemand von oben herab erklärt: „Wie blöd muss man denn sein, um das nicht hinzubekommen? Los, mach schon, bring deinen faulen A … in Schwung“?
Eben. Null Motivation. Zu Recht würdest du dich über diese Ansprache massiv ärgern, wenn sie von anderen kommt.
Aber wenn sie von dir selbst kommst, nimmst du sie an?
Schluss mit Selbstkritik: Bringe den strengen Über-Kritiker zum Schweigen
Berechtigter Ärger ist eine normale, gesunde Reaktion auf schlechte Behandlung oder Ungerechtigkeiten. Wir reagieren mit Wut, wenn wir etwas aufgebürdet bekommen, was unerträglich ist oder wenn jemandem etwas (Lebens-)Wichtiges vorenthalten wird. Die hohe Energie des Ärgers hilft uns dann, die unfaire Situation zu korrigieren.
Zu viel Selbstkritik hingegen ist, wie du oben gelesen hast, Gewalttätigkeit gegen dich selbst. Dir ist beim Lesen vielleicht klar geworden, wie sehr du dir damit schadest.
Wenn du deinen strengen inneren Kritiker zur Ruhe zu bringen und netter zu dir sein willst, habe ich eine einfache 6-Schritte-Strategie für dich:
- Schritt 1: Personifiziere den inneren Kritiker. Wie groß wäre denn dieser Sprecher, der dich so klein macht?
Die meisten Menschen haben das Gefühl, dass dieser Sprecher mindestens 50 cm größer ist als sie selbst. Daran können wir erkennen, dass dieser innere Spieler sich früh in unserem Leben herausgebildet hat. Wir waren ein kleines Kind, und jeder Erwachsene überragte uns. - Schritt 2: Zieh dem inneren Kritiker nun eine Richterrobe oder das Kostüm einer strengen Gouvernante an.
- Schritt 3: Schaue als nächstes auf die Sprunggelenke deines inneren Kritikers. Wenn du ganz genau hinsiehst – und das machst du jetzt! – siehst du dort das Luftmatratzenventil?
- Schritt 4: Lass diesem nörgelnden, herumhackenden Kritiker jetzt die Luft ab: Pfffffffffhhh macht es.
- Schritt 5: Wenn der innere Kritiker so klein geworden ist wie eine Handpuppe und daher mit einer Mickymaus Stimme spricht, dann bedanke dich für den Kommentar und schick ihn zum Kaffeetrinken (wähle alternativ jedes Getränk, das du magst).
- Schritt 6 (optional und nur bei Bedarf): Leider können wir unseren Kritiker nicht völlig aus unserem inneren Team rausschmeißen, denn natürlich hat er auch seine Existenzberechtigung.
Sollte er jedoch schon viele Jahre ungehindert permanent seinen Senf dazu gegeben haben, dann reduzieren die Redezeit auf tägliche 10 Minuten.
Keine Angst: Du wirst schon nicht größenwahnsinnig, wenn du dir nicht dauernd einen auf den Deckel gibst. Aber dein Selbstbewusstsein kann sich endlich erholen. Und du wirst wieder fähig, nicht nur das zu sehen, was du nicht gut machst – sondern auch das, was du draufhast!
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